Kündigung während Krankheit – erlaubt oder nicht?
Viele Arbeitnehmer glauben, dass sie während einer Krankschreibung nicht gekündigt werden dürfen. Doch das ist ein weit verbreiteter Irrtum: Eine Kündigung während Krankheit ist grundsätzlich zulässig. Sie ist aber nur wirksam, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind – und genau das ist häufig nicht der Fall.
In diesem Beitrag zeigen wir, wann eine Kündigung während der Arbeitsunfähigkeit erlaubt ist, wann sie unzulässig ist – und wie Sie sich effektiv dagegen verteidigen können.
- 1. Ist eine Kündigung während Krankheit grundsätzlich möglich?
- 2. Kündigungsschutz trotz Krankschreibung?
- 3. Krankheit als Kündigungsgrund – wann ist das zulässig?
- 4. Langzeiterkrankung vs. häufige Kurzerkrankungen
- 5. Verhältnismäßigkeit – mildere Mittel müssen geprüft werden
- 6. Vortäuschen von Krankheit oder Nebenbeschäftigung während AU
- 7. Was Sie nach einer Kündigung während Krankheit tun sollten
- Lassen Sie Ihre Kündigung prüfen
- Weitere Glossar-Beiträge zum Thema Kündigung
1. Ist eine Kündigung während Krankheit grundsätzlich möglich?
Ja. Weder das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) noch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) enthalten ein Verbot, während einer Erkrankung zu kündigen. Eine Arbeitsunfähigkeit hindert den Ausspruch der Kündigung nicht.
Wichtig: Auch eine außerordentliche Kündigung während Krankheit ist rechtlich nicht ausgeschlossen – z. B. bei schwerwiegendem Fehlverhalten.
2. Kündigungsschutz trotz Krankschreibung?
Ob eine Kündigung während Krankheit angreifbar ist, hängt von den allgemeinen Voraussetzungen des Kündigungsschutzes ab – insbesondere vom Kündigungsschutzgesetz (KSchG):
Das KSchG gilt, wenn:
- das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht
- der Arbeitgeber mehr als 10 Vollzeit-Arbeitnehmer beschäftigt (§ 23 KSchG)
Liegt diese Schwelle nicht vor, ist die Kündigung nicht an soziale Rechtfertigung gebunden – kann aber trotzdem unwirksam sein, z. B. wegen Verstoß gegen das AGG oder wegen fehlender Betriebsratsanhörung.
3. Krankheit als Kündigungsgrund – wann ist das zulässig?
Krankheit kann selbst ein personenbedingter Kündigungsgrund sein – aber nur unter engen Voraussetzungen. Die Rechtsprechung verlangt eine dreistufige Prüfung (§ 1 Abs. 2 KSchG):
a. Negative Gesundheitsprognose:
Es muss zu erwarten sein, dass die Arbeitsunfähigkeit auch künftig andauert oder wiederholt auftreten wird.
b. Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung:
z. B. durch häufige Ausfallzeiten oder hohe Lohnfortzahlungskosten
c. Interessenabwägung:
Die Belastung muss für den Arbeitgeber unzumutbar sein – insbesondere, wenn keine leidensgerechte Weiterbeschäftigung möglich ist
Hinweis: Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Prognose. Der Arbeitnehmer muss im Prozess darlegen, warum diese Prognose nicht gerechtfertigt ist (z. B. durch ärztliche Einschätzung oder Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht).
4. Langzeiterkrankung vs. häufige Kurzerkrankungen
Bei einer lang andauernden Erkrankung wird die negative Gesundheitsprognose regelmäßig angenommen, wenn innerhalb der nächsten 24 Monate nicht mit einer Rückkehr zu rechnen ist.
Bei häufigen Kurzerkrankungen kommt es auf folgende Kriterien an:
- Vergleichbare Krankheitsbilder in den Vorjahren
- Prognose gleichbleibender Fehlzeiten
- Lohnfortzahlungskosten über sechs Wochen hinaus
- Störungen im Betriebsablauf durch wiederkehrende Ausfälle
Wichtig: Auch wenn die Ursachen unterschiedlich sind, kann eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit unterstellt werden, wenn sich kein klarer gesundheitlicher Besserungsverlauf abzeichnet.
5. Verhältnismäßigkeit – mildere Mittel müssen geprüft werden
Selbst wenn die drei Voraussetzungen vorliegen, ist eine Kündigung nur wirksam, wenn sie verhältnismäßig ist.
Das bedeutet:
- Es darf kein leidensgerechter Arbeitsplatz verfügbar sein
- Eine Umorganisation muss unzumutbar oder unmöglich sein
- Der Arbeitgeber muss geprüft haben, ob durch z. B. Behandlung, BEM oder Arbeitsplatzanpassung eine Weiterbeschäftigung möglich wäre
Hinweis: Führt der Arbeitgeber kein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durch, trägt er im Prozess eine erweiterte Darlegungslast.
6. Vortäuschen von Krankheit oder Nebenbeschäftigung während AU
Das Vortäuschen einer Erkrankung oder die Ankündigung einer AU, um nicht zur Arbeit zu erscheinen, kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen – ggf. auch außerordentlich.
Auch eine Nebenbeschäftigung während Krankschreibung kann zur Kündigung führen, wenn sie:
- dem Genesungsverlauf entgegensteht
- in Konkurrenz zum Arbeitgeber steht
- gegen ärztliche Anweisung verstößt
7. Was Sie nach einer Kündigung während Krankheit tun sollten
Auch bei Krankheit gilt: Die Frist zur Kündigungsschutzklage beträgt nur drei Wochen ab Zugang der Kündigung (§ 4 KSchG). Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam (§ 7 KSchG).
Unser Rat:
- Prüfen Sie die Frist
- Sprechen Sie mit einem Anwalt für Arbeitsrecht
- Lassen Sie die Prognose und mögliche Alternativen zur Kündigung juristisch bewerten
- Reichen Sie bei Bedarf Klage ein – rechtzeitig
Lassen Sie Ihre Kündigung prüfen
Sie wurden während einer Krankheit gekündigt?
Wir prüfen für Sie, ob die Kündigung rechtmäßig war – und ob eine Klage sinnvoll ist. Sprechen Sie uns an.
Weitere Glossar-Beiträge zum Thema Kündigung
- 1. Ist eine Kündigung während Krankheit grundsätzlich möglich?
- 2. Kündigungsschutz trotz Krankschreibung?
- 3. Krankheit als Kündigungsgrund – wann ist das zulässig?
- 4. Langzeiterkrankung vs. häufige Kurzerkrankungen
- 5. Verhältnismäßigkeit – mildere Mittel müssen geprüft werden
- 6. Vortäuschen von Krankheit oder Nebenbeschäftigung während AU
- 7. Was Sie nach einer Kündigung während Krankheit tun sollten
- Lassen Sie Ihre Kündigung prüfen
- Weitere Glossar-Beiträge zum Thema Kündigung