Der EU AI Act, der ab dem 1. August in Kraft tritt, bringt weitreichende Änderungen für die Verwendung künstlicher Intelligenz (KI) in der Europäischen Union mit sich. Diese Verordnung ist unmittelbar anwendbar und erfordert keine zusätzlichen Umsetzungsakte. Besonders betroffen ist der HR-Bereich, in dem KI zur Automatisierung und Optimierung verschiedenster Prozesse eingesetzt wird. Die Einführung solcher Technologien ist jedoch mit arbeits- und datenschutzrechtlichen Herausforderungen verbunden, bei denen der Betriebsrat eine zentrale Rolle einnimmt.
I. Vielseitige Einsatzmöglichkeiten von KI im HR und die Mitbestimmung des Betriebsrats
KI kann im HR-Bereich auf vielfältige Weise eingesetzt werden – von der Personalbedarfsermittlung, Stellenausschreibungen und Bewerbungsscreenings bis hin zu automatisierten Interviews, personalisiertem Onboarding und digitalem Coaching. Diese Einsatzmöglichkeiten bergen jedoch das Risiko, in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden einzugreifen, was die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in den Vordergrund rückt. Wenn beispielsweise KI-Modelle zur Analyse von Leistung, Verhalten oder Kündigungswahrscheinlichkeit eingesetzt werden, sind Grund- und Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden tangiert. Hier ist der Betriebsrat als Schutzorgan gefordert, die Interessen der Belegschaft zu wahren und zu verhindern, dass die Grenzen der Arbeitnehmerüberwachung überschritten werden.
II. Risikoklassen für KI und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Der AI Act teilt KI-Systeme in Risikoklassen ein, wobei bestimmte Anwendungen im HR-Bereich als Hochrisiko-KI gelten. Die strengen Anforderungen für Hochrisiko-KI sollen sicherstellen, dass die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt bleiben. Beispiele solcher Hochrisiko-Anwendungen sind KI-Systeme, die Entscheidungen über Einstellung, Beförderung und Kündigung treffen oder die Arbeitsleistung und das Verhalten von Mitarbeitenden überwachen. Der Betriebsrat hat hier das Recht und die Pflicht, sicherzustellen, dass die Systeme den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und keine unzulässigen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden erfolgen.
III. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Ein wichtiger Punkt des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Danach ist der Betriebsrat bei der Einführung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitbestimmungsberechtigt. Das bedeutet, dass der Betriebsrat umfassend beteiligt werden muss, wenn ein KI-System eingesetzt wird, das Informationen über die Leistung oder das Verhalten der Mitarbeitenden erhebt. Dies gilt beispielsweise, wenn das Unternehmen eigene KI-Systeme zur Verfügung stellt, die die Interaktionen der Mitarbeitenden überwachen oder eine Leistungsbewertung ermöglichen.
IV. Aktuelle Rechtsprechung
Der Einsatz von ChatGPT und ähnlicher KI über private Accounts der Mitarbeitenden wurde im Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. Februar 2024 (Az.: 24 BVGa 103/24) jedoch als mitbestimmungsfrei eingestuft. Das Gericht argumentierte, dass die freiwillige Nutzung eines solchen Tools kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslöst, da der Arbeitgeber keine technischen Überwachungsmöglichkeiten hat und keine Informationen über die Nutzung erhält. Die Entscheidung betont die Abgrenzung zwischen der Bereitstellung eines Arbeitsmittels und der tatsächlichen technischen Überwachung: Solange das Unternehmen die KI nicht selbst betreibt oder kontrolliert und auf die Daten der Nutzenden keinen Zugriff hat, entfällt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
V. Weitere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung von KI
Über das Überwachungsrecht hinaus ist der Betriebsrat bei der Einführung von KI gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG frühzeitig zu informieren und zu konsultieren. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat über die geplanten technischen Veränderungen und deren potenzielle Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und die Beschäftigung zu unterrichten. Dies betrifft insbesondere Systeme, die die Arbeitsbedingungen beeinflussen, wie zum Beispiel der Einsatz von KI für Bewertungen und Beförderungen. Der Betriebsrat kann so sicherstellen, dass die eingesetzte KI die Arbeitnehmerrechte nicht verletzt und angemessen genutzt wird. Die frühzeitige Einbindung des Betriebsrats gibt diesem die Möglichkeit, eventuelle Einwände geltend zu machen und dafür zu sorgen, dass die KI fair und transparent verwendet wird.
VII. Datensicherheit und die Rolle des Betriebsrats bei Datenschutzfragen
Der Betriebsrat hat außerdem darauf zu achten, dass der Einsatz von KI im HR-Bereich datenschutzkonform erfolgt. Da KI-Anwendungen im HR-Bereich regelmäßig mit personenbezogenen Daten arbeiten, ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten. Nach der DSGVO ist das Prinzip der Datensparsamkeit zu wahren, d.h., es dürfen nur die Daten erhoben werden, die für den jeweiligen Zweck notwendig sind. Der Betriebsrat sollte daher prüfen, ob die Datenverarbeitung durch die KI notwendig und verhältnismäßig ist und ob geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten getroffen wurden. Der Betriebsrat fungiert hier als Kontrollorgan, um sicherzustellen, dass die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten und keine unnötigen Daten über die Mitarbeitenden erhoben werden.
Der AI Act bringt strenge Vorschriften für den Einsatz von KI in Unternehmen mit sich, und der Betriebsrat spielt eine zentrale Rolle, um die Interessen der Belegschaft zu schützen und die rechtmäßige Nutzung sicherzustellen. Arbeitgeber sollten den Betriebsrat bereits in der Planungsphase über den geplanten Einsatz von KI-Systemen informieren und aktiv in die Entscheidungsprozesse einbinden. Die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte ist entscheidend, um Konflikte zu vermeiden und die Akzeptanz für KI in der Belegschaft zu fördern. Eine durchdachte und transparente Implementierung der KI kann dazu beitragen, das Vertrauen der Mitarbeitenden zu gewinnen und gleichzeitig die rechtlichen und ethischen Anforderungen des AI Act zu erfüllen.