Zustimmungsersetzungsverfahren

Ihr Rechtsanwalt für Zustimmungsersetzungsverfahren in Frankfurt

Was ist der Sinn und Zweck des Zustimmungsersetzungsverfahrens?

Das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG bietet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, ein Betriebsratsmitglied – trotz des besonderen Kündigungsschutzes und Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats – außerordentlich zu kündigen. Es ist daher die gesetzgeberische Einschränkung des besonderen Kündigungsschutzes von Betriebsratsmitgliedern.

Die ordentliche Kündigung von Betriebsräten ist wegen § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) – bis auf wenige Ausnahmen – ausgeschlossen, da § 15 KSchG lediglich eine außerordentliche Kündigung zulässt:

§ 15 KSchG
Unzulässigkeit der Kündigung

(1) 1Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, […] ist unzulässig, es sei denn, das Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. […]

§ 15 KSchG verweist dabei auf § 103 BetrVG. Nach § 103 BetrVG erfordert die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds die Zustimmung des Betriebsrats.

§ 103 BetrVG
Außerordentliche Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen

(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, […] bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

[…]

Betriebsratsmitglieder sollen jedoch nicht in jedem Fall unkündbar sein. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung kann daher der Arbeitgeber nach § 103 Abs. 2 BetrVG und sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen, die fehlende Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen (sog. Zustimmungsersetzungsverfahren).

§ 103 BetrVG
Außerordentliche Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen

[…]

(2) 1Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. 2In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter. […]

Wann wird der Zustimmungsersetzungsverfahren angewendet?

Das Zustimmungsersetzungsverfahren ist – bei einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats –für Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern durchzuführen.

Zudem gewährt § 103 BetrVG – anders als § 15 KSchG – keinen nachwirkenden Kündigungsschutz. Das Bedeutet, dass die Zustimmung des Betriebsrats nur für die außerordentliche Kündigung von aktiven Gremiumsmitgliedern erforderlich ist. Sobald ein Mitglied des Gremiums sein Amt niedergelegt oder die Amtszeit endet, entfällt das entsprechende Zustimmungserfordernis.

Der Schutz der Wahlvorstandsmitglieder und der nicht gewählten Wahlbewerber bei außerordentlichen Kündigungen nach § 103 endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch den Wahlvorstand (BAG, Urteil v. 30.05.1978 – 2 AZR 630/76).

Hinweis:
Der Schutz der Mitglieder des Wahlvorstands und der Wahlbewerber besteht auch im Falle der erstmaligen Betriebsratswahl. Wenn noch kein Betriebsrat existiert und eine Kündigung beabsichtigt ist, kann der Arbeitgeber nicht auf die Zustimmung eines Betriebsrats zurückgreifen. Stattdessen muss der Arbeitgeber unmittelbar beim Arbeitsgericht die Erteilung der Zustimmung beantragen.

Das Zustimmungserfordernis besteht allerdings nur bei außerordentlichen Kündigungen. Es besteht daher kein Zustimmungserfordernis, wenn das Arbeitsverhältnis, auf andere Weise, also etwa durch Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses, durch einen Aufhebungsvertrag oder durch eine ausnahmsweise zulässige ordentliche Kündigung gem. § 15 Abs. 4 und 5 KSchG endet.

Was hat der Arbeitgeber zu beachten?

Der Arbeitgeber hat zunächst die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, wenn er eine außerordentliche Kündigung nach § 103 BetrVG aussprechen will. Bei der entsprechenden Beschlussfassung des Betriebsrats, darf das von der außerordentlichen Kündigung betroffene Betriebsratsmitglied, wegen Befangenheit, nicht mitwirken.

Für die Zustimmung des Betriebsrats gilt die 3-Tage-Frist nach § 102 Abs. 2 Satz 3. Stimmt der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung, innerhalb dieser Frist, ausdrücklich zu, kann der Arbeitgeber nunmehr die Kündigung aussprechen.

Hinweis:
Die Zustimmungsfiktion gem. § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG findet auf das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG keine Anwendung. Gibt der Betriebsrat also innerhalb der Drei-Tages-Frist keine Erklärung ab, so gilt die Zustimmung als verweigert (BAG, Beschluss v. 18.08.1977 – 2 ABR 19/77).

Sofern der Betriebsrat seine Zustimmung ausdrücklich verweigert oder sich innerhalb der Drei-Tages-Frist nicht äußert, muss der Arbeitgeber, wenn er an seinem Kündigungsentschluss festhält, innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB beim ArbG die Ersetzung der Zustimmung beantragen.

Wann darf der Betriebsrat die Zustimmung verweigern?

Der Arbeitgeber hat zwar die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, jedoch kann der Betriebsrat seine Zustimmung nicht grundlos verweigern. Er trifft auch keine Ermessensentscheidung. Vielmehr darf der Betriebsrat seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nur mit der Begründung verweigern, dass die Kündigung unwirksam sei, weil entweder kein wichtiger Grund vorliege oder die Kündigung aus anderen Gründen, beispielsweise weil der Arbeitgeber die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe, nichtig sei (BAG, Urteil v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17              ).

Der Betriebsrat hat für seine Beurteilung ob Tatsachen vorliegen, die zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen, auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist abzustellen (BAG, Urteil v. 19.07.2012 – 2 AZR 989/11).

Es handelt sich deshalb um eine fiktive Kündigungsfrist, da das betroffene Betriebsratsmitglied im Hinblick auf ordentliche (fristgemäße) Kündigung ein Sonderkündigungsschutz aus § 15 KSchG genießt. Die fiktive Kündigungsfrist ist daher die ordentliche Kündigungsfrist, die gelten würde, wenn das Betriebsratsmitglied nicht dem besonderen Kündigungsschutz aus § 15 KSchG unterliegen würde. Die Kündigung ist unwirksam, wenn eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf dieser fiktiven Frist zumutbar ist.

Hinweis:
Reine Amtspflichtverletzungen stellen keinen außerordentlichen Kündigungsgrund dar, da für sie das besondere Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG vorgesehen ist. Für sie kommt daher nur die Möglichkeit des Ausschlusses aus dem Betriebsrat in Betracht.

Wie läuft das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren ab?

Beantragt der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 2 BetrVG, prüft das Arbeitsgericht vollumfänglich, ob die begehrte Kündigung wirksam ist oder nicht. Das Arbeitsgericht prüft insbesondere, ob die Kündigung durch einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist und ob die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden ist.

Nimmt der betroffene Arbeitnehmer am Verfahren Teil?

Der von der außerordentlichen Kündigung betroffene Arbeitnehmer (meist ein Betriebsratsmitglied) ist gem. § 103 Abs. 2 Satz 2 Beteiligter. Er ist daher auch berechtigt, bei einer für ihn ungünstigen Entscheidung des Gerichts, Rechtsmittel (Beschwerde oder Revision) einzulegen (BAG, Beschluss v. 10.12.1992 – 2 ABR 32/92).

Hinweis:
Der betroffene Arbeitnehmer hat die durch seine Beteiligung am Zustimmungsersetzungsverfahren entstehenden Kosten selbst zu tragen, da er lediglich seine persönlichen Interessen aus dem Arbeitsverhältnis wahrnimmt und § 40 Abs. 1 BetrVG somit keine Anwendung findet.

Wann darf der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung aussprechen?

Der Arbeitgeber ist erst dann zum Ausspruch der Kündigung berechtigt, wenn die die Zustimmung ersetzende Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtskräftig ist. Der Arbeitgeber muss also ein erfolgreiches Zustimmungsersetzungsverfahren geführt welches nicht mehr durch Rechtsmittel (Beschwerde oder Revision) angefochten werden kann.

Kann das betroffene Betriebsratsmitglied trotzdem Kündigungsschutzklage erheben?

Wenn das Arbeitsgericht rechtskräftig die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt und der Arbeitgeber daraufhin die außerordentliche Kündigung aussprich, kann der betroffene Arbeitnehmer gleichwohl Kündigungsschutzklage erheben.

Hinweis:
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Ersetzung der Zustimmung insoweit präjudizielle Wirkung für das nachfolgende Kündigungsschutzverfahren hat, als das über das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung bereits rechtskräftig entschieden wurde (BAG, Beschluss v. BAG, 10.12.1992 – 2 ABR 32/92).

Zum Anfang